Die Stadt als Campus
Experimentelle Stadtentwicklung mit Kultur- und Kreativschaffenden
Direkt, intensiv, ungefiltert. Beim Innovationsfestival „innomake!“ haben 25 Expert*innen Mannheimer Brennpunkte aktivierender Stadtentwicklung „live“ erlebt und diskutiert, wie das Zusammenspiel von Stadtentwicklung mit Kultur- und Kreativwirtschaft funktioniert.
Der Tag beginnt ganz sanft. Um neun Uhr morgens ist es noch ruhig im Mannheimer Musikpark. Die Teilnehmer*innen, die aus Stuttgart, Frankfurt, Köln, Regensburg und Erfurt zum Workshop „Stadt als Campus“ angereist sind, nippen noch am Frühstückskaffee, als plötzlich eine frische Brise Aufbruchsstimmung durch den Raum fegt. „Hier in Mannheim passieren außergewöhnliche Dinge“, erklärt zum Auftakt Workshop-Leiter Prof. Reiner Schmidt. An der Hochschule Anhalt forscht er zum Thema Stadt- und Freiraumentwicklung und weiß, welche Überraschungen Stadtplaner hier erwarten.



Christian Hübel, Leiter des Mannheimer Fachbereichs Demokratie und Strategie, eröffnet den Tag mit einem Impulsvortrag zu einem einzigartigen urbanen Transformationsprozess.
„Mit unserer neuen wirtschaftspolitischen Strategie haben wir die Entwicklung als Kulturstadt und als Stadt der Kreativ- und Musikwirtschaft als Transmissionsriemen für Stadtentwicklung sowie gesellschaftliche Veränderungen genutzt. Durch den Aufbau eines Startup-Ökosystems mit acht Gründerzentren, dem ersten Nachtbürgermeister Deutschlands, Veranstaltungen wie dem Urban Thinkers Campus oder dem Innovationsfestival „innomake!“ wird Mannheim heute in der Spitzengruppe der stadtkulturell und kreativwirtschaftlich geprägten Städte wahrgenommen“, so Christian Hübel. Wichtige Impulse, ergänzt Reiner Schmidt, „werden dabei durch die aktive Teilhabe von Kultur- und Kreativschaffenden ausgelöst.“
Das ist auch das Spezialgebiet von Dr. Matthias Rauch, der den zweiten Vortrag des Vormittags anschließt. Er betreut bei der Stadt Mannheim den Bereich „Kulturelle Stadtentwicklung“ und damit die Schnittstelle zwischen Verwaltung und den Kulturschaffenden. Keine zwei Wochen vor dem Workshop hat er in der Mannheimer Multihalle die erste Placemaking-Konferenz der Stadt organisiert. „Wenn wir urbane Orte wie einen Campus für die Gemeinschaft öffnen“, so Matthias Rauch, „können Akteure zu wertvollen Impulsgebern werden, und im besten Fall ‘von unten‘ eigendynamische Entwicklungsprozesse auslösen.“
Diese Idee verfolgt auch das Forschungsprojekt „Kreativwirtschaft und Stadtentwicklung — Netzwerk Stadt als Campus“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Die Initiatoren des Netzwerkes „Stadt als Campus“ stellen in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund vielversprechende Ansätze zur Diskussion – wie in Mannheim, wo die Workshop-Teilnehmer*innen nach der Mittagspause dorthin gehen, wo alles in Echtzeit passiert: mitten in die Stadt.
Am Alten Messplatz präsentiert der Mannheimer Architekt Wulf Kramer vom Studio Yalla Yalla das Zwischennutzungsprojekt „Alter“. Ein öffentlicher Raum, der mit kostenlosen Sport- und Kulturangeboten sowie einem Kiosk zum gemeinsamen Spaßhaben im Quartier anstiftet. Im Zuge einer kuratierten Intervention wurde der ehemalige Parkplatz zu einem angesagten Ort. Auch der „Kiosk“ am Mannheimer Neumarkt wurde von einem Unort zum In-Ort und zum kulturellen Herz des Viertels.



„Beide Projekte sind neue Typen von Creative Places, die Kultur- und Kreativwirtschaftsförderung, Soziokultur und Community-Building im Sinne einer aktivierenden Quartiersentwicklung unmittelbar und niederschwellig miteinander verbinden“, sagt Reiner Schmidt und eröffnet damit im Existenzgründungszentrum Altes Volksbad eine engagiert geführte Diskussion.
Dass die Integration von temporären Formaten wie Interventionen, LivingLabs oder „Creative Residency“-Programmen in die aktivierende Stadtentwicklung noch eingeübt und kultiviert werden muss, zeigen die unterschiedlichen Wahrnehmungen: Kreative wünschen oft mehr Unterstützung und vermissen ein integriertes kommunales Management, während die Verwaltung häufig die Eigeninitiative vermisst und sich oft den Vorwurf anhören muss, Stadtentwicklungsprozesse „von oben“ anzustoßen.
Es wurde deutlich, wie anspruchsvoll die kooperative Entwicklung experimenteller Formen der Stadtentwicklung ist und dass in Stadtverwaltungen häufig ein Kampf zwischen Ermöglichungskultur und Verhinderungskultur stattfindet. Konsens bestand darin, dass es Interdisziplinarität braucht, so zum Beispiel die Integration von Streetworkern in Projekte der kulturellen Stadtentwicklung.



Am Ende des Tages gab es also viele Ergebnisse – zusammengefasst von Reiner Schmidt: „Es braucht die Bündelung von Managementaufgaben insbesondere beim Quartiers-, Community-, Ansiedlungs- und Leerstandsmanagement – und gleichzeitig die strukturelle Verankerung im Verwaltungsalltag, insbesondere bei Innenentwicklung, Nachverdichtung, Konversion und Neubau.“
Die Workshop-Teilnehmer*innen waren sich darin einig, dass dieser raumbezogene Rahmen die ideale Plattform und Klammer bildet, um Initiativen aus Kultur und Kreativwirtschaft und Stadtentwicklung quartiersbezogen zusammenzuführen.
Im nächsten Schritt sollen nun die im Rahmen eines experimentellen Wohnungs- und Städtebaus zu bearbeitenden Fragen und die dazu geeigneten kreativen und kulturellen Formate herausgearbeitet werden.